Lager- und Gefahrstoffverwaltung in innovativen produzierenden Betrieben der Oberflächentechnik

Die Produktion in der Oberflächentechnik ist durch komplexe Prozesse und den Einsatz einer Vielzahl von Chemikalien und Gefahrstoffen geprägt. Ihre Verwaltung stellt Betriebe vor erhebliche Herausforderungen: Gesetzliche Vorschriften, Qualitätssicherung und Sicherheitsanforderungen müssen erfüllt werden, während zugleich Effizienz und Produktivität gesteigert werden sollen. Die vorgestellte innovative Softwarelösung für die Lager- und Gefahrstoffverwaltung bietet eine intuitive Erfassung und eine umfassende Vernetzung aller Betriebsbereiche. Ziel ist es, schnell und einfach einen Überblick über die Prozesse zu erhalten und gleichzeitig Sicherheit und Umweltschutz zu gewährleisten.

Viele Unternehmen in allen Industriebranchen stehen vor der Aufgabe, ihre Prozesse zu digitalisieren und passende digitale Anwendungen für ihre spezifischen Bedürfnisse zu finden. Dies gestaltet sich schwierig, da in einigen Betriebsbereichen bereits Softwarelösungen vorhanden sind, während andere Bereiche noch analog arbeiten. Zudem gibt es eine Vielzahl von Softwarelösungen auf dem Markt, die jedoch häufig nicht auf die spezifischen Anforderungen der Galvanikbranche zugeschnitten sind. Die größte Herausforderung ist die mangelnde Kommunikationsfähigkeit der unterschiedlichen Anwendungen untereinander.

In der Produktion werden PDB-Systeme (Production Data Base) verwendet, im Labor kommen LIMS (Labor-Informations- und Management-Systeme) zum Einsatz, und in der Unternehmensplanung helfen ERP-Systeme (Enterprise Ressource Planning). Obwohl diese Anwendungen einzelne Betriebsbereiche effizienter gestalten, fehlt oft ein ganzheitlicher Überblick über die Prozesse. Diese Insellösungen führen zu einer unübersichtlichen Datenflut und bergen das Risiko von Datenverlusten. Zu dieser digitalen Datenverarbeitung findet die betriebliche Kommunikation häufig analog statt – etwa in Form von schriftlichen Laufzetteln oder mündlichen Absprachen. Dies erschwert einen systematischen Überblick über den Status der Betriebsabläufe.

Ein Beispiel ist die Verwaltung von betrieblichen Lagern. Fast jeder Betriebsbereich verfügt über ein Lager, von der Verwaltung über die Produktion bis hin zu den Chemikalienlagern. Während es im Verwaltungsbereich relativ einfach ist, physische Dinge wie PCs, Drucker, Toner oder Telefone zu verwalten, gestaltet sich dies in der Produktion wesentlich umfangreicher. Oft ist das Ersatzteillager noch gut organisiert. Die Herausforderung beginnt bei Chemikalienlagern.

Spätestens hier genügt die physische Verwaltung von Lagerbeständen nicht mehr. Hier kommt zu jeder Chemikalie die Verwaltung der damit verbundenen Anforderungen, wie die Gefahrstoffkennzeichnung, Lagerungsstatus, Mindesthaltbarkeitskennzeichnungen, Lagermengenbestimmungen, um nur einige zu nennen. Dabei ist die besondere Herausforderung, dem Anspruch des Gesetzgebers gerecht zu werden. Immer häufiger werden aufgrund sich ändernder Bewertungsmaßstäbe von Chemikalien hinsichtlich der Gefährdungsbeurteilungen für Personen und Umwelt die Lagerbedingungen geändert. Das erfordert eine permanente Aktualisierung der Sicherheitsdatenblätter sowie korrekte Beurteilung der Chemikalien und eine schnelle Umsetzung der sich daraus ergebenden Forderungen.

Häufig können Standard-Lagersysteme diese spezifischen Anforderungen nicht abbilden.

Effiziente Lagerverwaltung und sichere Chemikalienlagerung

Die modulare Software ermöglicht es, jeden Betriebsbereich als eigenständige Einheit darzustellen. Lager können individuell angepasst und nach Bedarf strukturiert werden, beispielsweise:

  • Ersatzteillager

  • Betriebs- und Hilfstoffe

  • Chemikalienlager

Für jedes Produkt können Lagerober und -untergrenzen definiert werden, die mit Warnmeldungen verknüpft sind. Ist beispielsweise die Kapazität eines Gefahrstofflagers erschöpft, wird sofort eine Warnmeldung angezeigt. Gleiches gilt für Mindermengen. Der Anwender definiert für jedes Produkt seine Mindestmengen und kritischen Bestände, unter Berücksichtigung von beispielsweise Lieferzeiten und Liefermengen, um einen reibungslosen Betriebsablauf sicherzustellen. Automatische Benachrichtigungen an zuständige Personen erleichtern rechtzeitige Bestellungen.

Um die vollständige Verwaltung von Chemikalien zu gewährleisten, werden Sicherheitsdatenblätter und Betriebsanweisungen für den Umgang mit den Chemikalien direkt mit dem zu betrachtenden Datum in der Software abgelegt und verwaltet. Übersichtliche Selektionskriterien bieten Einblick in Gefährdungseinstufungen, Lagerklassen und Wassergefährdungsklassen. Die Mindesthaltbarkeit der Chemikalien wird ebenfalls berücksichtigt, sodass ältere Chargen bevorzugt verwendet werden. Die Datenstruktur der Chemikalien ist flexibel anpassbar.

Zu all den oben genannten gesetzlichen Vorgaben zur Chemikalienhandhabung sind mittlerweile viele Unternehmen der Galvanikbranche verpflichtet, einen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen und den CO2-Fußabdruck für Standorte und Produkte zu ermitteln. Dieser Aspekt wird ebenfalls in der Software berücksichtigt. Werden vom Produkthersteller CO2-Daten zur Verfügung gestellt, können diese beim Anlegen der Chemikalien hinterlegt werden. Durch diese Funktionen kann die Datenplattform Betrieben helfen, neben der Sicherheit ihrer Mitarbeiter auch die in Zukunft gestellten Anforderungen bezüglich Umwelt- und Nachhaltigkeitsgedanken zu gewährleisten.

Automatisierung und Digitalisierung von Prozessen

Um Prozesse weiter zu beschleunigen, unterstützt die Software die automatische Bilderkennung zur Erfassung von Zu- und Abgängen. Die Implementierung von RFID-Technologie (Radio Frequency Identification) ermöglicht darüber hinaus eine automatisierte Buchung von Materialbewegungen. Dabei werden Objekte beim Passieren von Schranken eingelesen und entsprechende Buchungen vorgenommen. Alle Bewegungen sind nachvollziehbar, da sie von den zuständigen Personen quittiert und im Anschluss dokumentiert werden. Diese Funktionen garantieren sowohl Prozesssicherheit als auch Zuordnung der Aktivitäten zu verantwortlichen Personen.

Verknüpfung aller Betriebsbereiche

Ein entscheidender Vorteil der Software ist die Integration bestehender Systeme wie PDB, ERP und LIMS. Diese Vernetzung erlaubt einen nahtlosen Datenaustausch und somit die Kommunikation zwischen allen Betriebsbereichen. Zusätzlich können Arbeitsanweisungen automatisiert an relevante Personen übermittelt werden. Das integrierte Qualitätsmanagement-Modul sichert die Einhaltung von Standards.

Indem die Software Warenfluss, Materialfluss, Produktionsabläufe und Informationsströme transparent darstellt, ermöglicht sie eine effiziente Steuerung der gesamten Produktionsprozesse – ein wesentlicher Schritt in der Digitalisierung der Oberflächentechnik.

Fazit

Die vorgestellte modulare Datenplattform bietet eine innovative Möglichkeit zur Lagerund Gefahrstoffverwaltung. Sie verbessert die Transparenz und Effizienz von Produktionsprozessen, reduziert Ressourcenverbräuche und senkt Kosten. Gleichzeitig gewährleistet sie die Sicherheit von Mensch und Umwelt und unterstützt Unternehmen dabei, aktuelle Anforderungen wie Nachhaltigkeit und CO2-Bilanzierung zu erfüllen. Damit wird ein wichtiger Beitrag zur Zukunftsfähigkeit der Galvanikbranche geleistet..

Autoren: Fabian Herbst, Dr. Elke Spahn, Frank Benner, Sigrid Frey

Ihr BAG-Team

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